Welche joint leadership modelle Gibt es in der Praxis?

Dies war eine der Fragen unserer 360°-Joint Leadership Studie.

Bereits an dieser Stelle können wir verraten:

Wir sind auf eine überraschende Modell-Vielfalt gestoßen.

Und noch eins vorab: Mehr über die Stichprobe, das Studiendesign und den Studienprozess als solches erfährst Du hier in diesem Blogartikel.

Grundsätzlich lassen sich Tandem-Modelle je nach Betrachtungsbrille nach unterschiedlichen Kriterien unterscheiden.  

Aufgaben aufteilen: PAIRING ODER SPLITTING?

Wenn es darum geht, wie sich die Tandempartner:innen die Aufgaben untereinander aufteilen, werden zwei Extremausprägungen unterschieden: Pairing und Splitting.

Wenn die Zuständigkeiten (und die Verantwortung) für sämtliche Aufgaben exakt untereinander aufgeteilt werden, handelt es sich um ein reines Job Splitting. Die Tandempartner:innen arbeiten eher unabhängig voneinander und ein gemeinsames Rollenverständnis ist nicht so wichtig ist. Häufig haben sie keine gemeinsamen Ziele und die Führungsverantwortung für Mitarbeitende wird klar untereinander aufgeteilt.

Daher ist unter Expert:innen umstritten, ob ein striktes „Job-Splitting“ überhaupt als Jobsharing-Modell zählt.

Sind beide hingegen für alle Aufgaben gleichermaßen verantwortlich und bearbeiten diese gemeinsam oder abwechselnd, entspricht das einem „Job Pairing“.

Wir empfehlen eine gelungene Mischung aus Pairing UND Splitting – mit Tendenz zu Pairing.

In der Praxis gibt es zwischen diesen Extremen viele Mischformen. Wenn wir gefragt werden, empfehlen wir eher eine Tendenz zum Pairing, weil es im Pairing einen stärkeren Perspektivenaustausch und -wechsel gibt.

Und genau darin liegt ein großer Nutzen von Joint Leadership, den viele Tandems sehr schätzen und was mit dazu beiträgt, dass sie ihre (wichtigen) Entscheidungen fundierter treffen. Gleichzeitig geht es bei dieser Frage eben nicht um ein „entweder oder“ (wovon viele Tandems zu Beginn ausgehen), sondern viel mehr um ein „und“. 

Aus unserer Sicht ist es wichtig, je nach konkreter Aufgabe oder Situation zu entscheiden, ob Pairing oder Splitting sinnvoll ist. Dies bietet auch die Möglichkeit ganz bewusst zu variieren, wie dieses Zitat aus unserer Studie zeigt:

Die beiden sind ja auch in Management Meetings, dann sozusagen als Tandem, und dann nehmen sie sich aber durchaus manchmal raus, nicht beide zu erscheinen, sondern, dass Einer dann für den Anderen da ist. Das war auch am Anfang immer ein bisschen, warum ist das jetzt so? Und dann erst mal der zweite Gedanke war dann, ja stimmt, die haben recht, das ist genau Sinn von der Geschichte, dass die beiden sich dann eben auch in speziellen Situationen vertreten.

Joint Leadership entfaltet dann sein volles Potenzial, wenn das Tandem in bestimmten Arbeitsbereichen gemeinsam co-kreativ arbeitet. Erst dadurch findet ein gemeinsamer inhaltlicher Austausch und Perspektivwechsel statt. Die beiden können voneinander lernen und Synergieeffekte optimal ausschöpfen.

Zum anderen schafft es die außerordentlichen und spezifischen Synergien, die typisch sind für Joint Leadership. Diese Synergien machen das Modell besonders interessant für Unternehmen, Expert:innen und Manager:innen.

Pairing macht auch dann besonders viel Sinn, wenn die Aufgaben mit einem höheren Risiko verbunden sind. Und natürlich, wenn die beiden sich in diesen Aufgaben gegenseitig vertreten wollen.

Splitting kann für Aufgaben sinnvoll sein, wo sich Tandempartner:innen aus Effizienzgründen untereinander aufteilen wollen oder auch für Aufgaben, die sehr spezifische Kompetenzen benötigen, die ggf. nur eine:r der beiden mitbringt.

Dass es in der Praxis viele Mischformen dieser beiden Ausprägungen gibt, macht Sinn. Und zwar weil jedes Tandem einzigartig ist, jede Position ebenfalls und die optimale „Mischung“ entsprechend sehr individuell.

Bei der Frage, ob das Tandem seine Aufgaben im Pairing oder im Splitting aufteilt, haben wir in unserer Studie  zwischen Fach- und Führungsaufgaben unterschieden.

Pairing oder Splitting bei Fachaufgaben 

In Bezug auf Fachaufgaben haben jeweils 45 % der Tandems entweder eine Tendenz in Richtung Pairing oder in Richtung Splitting. Bei 10 % konnten wir keine Tendenz feststellen, weil sie eine Zwischenform leben.

(N= 30 Tandems)

 Pairing oder Splitting bei Führungsaufgaben

2/3 der befragten Tandems haben Führungsverantwortung, 1/3 nicht.

Gefragt nach ihrem Verhalten bei Führungsaufgaben gaben 65 % der Tandems an, tendenziell im Pairing-Modell zu arbeiten. 25 % hatten eher eine Tendenz in Richtung Splitting. Und auch hier war für uns bei 10% eher eine Zwischenform – und damit KEINE Tendenz – festzustellen. 

(N= 20 Tandems mit Personalführungsverantwortung) 

Die Einteilungen basieren jeweils auf der Interpretation der Interviewerinnen und beziehen sich auf die getätigten Aussagen zur Aufgabenaufteilung der Tandems, zum Zeitpunkt des Interviews. 

ARBEITSZEITMODELL

Auch bei der Frage in welchem Arbeitszeitmodell das Tandem arbeiten möchte, gibt es wieder unzählige denkbare Varianten.

Es gibt Tandempartner:innen, die sich ihre Stelle in einem Verhältnis von 40:60, 60:60, 60:70, 80:50 und so weiter aufteilen. Und es gibt Doppelspitzen, die beide in Vollzeit arbeiten (also 100:100) und sich dennoch eine gemeinsame Führungs- oder Experten

  • 67 % der Tandems arbeiten in Teilzeit,
  • 20 % entweder in einer Mischung aus Teilzeit und Vollzeit
  • und 13 % in einem reinen Vollzeit- bzw. vollzeitnahen Arbeitszeitmodell (> 32 h/Woche). 

Bei Joint Leadership in Teilzeit führt die Frage, wann wer arbeitet und wie die Überlappungszeiten gelebt werden, ebenfalls zu unterschiedlichen Modellen. In der Praxis haben wir zum Beispiel folgende Varianten kennengelernt:

  • Wechsel von Vormittags- und Nachmittagsschichten mit jeweiliger Überlappung
  • tageweise Wechsel mit ein bis mehreren gemeinsamen Tagen vor Ort oder zeitgleicher Unterstützung aus dem Home-Office (zum Beispiel Montag – Mittwoch und Mittwoch bis Freitag)
  • wochenweiser Wechsel, wobei ein Wochentag immer der gemeinsame Arbeitstag ist und dann jeweils eine:r frei hat und die/der andere die nächsten 4 Tage arbeitet.
  • Und es gibt auch monatsweise Wechsel bis hin zu einem Wechsel alle 8 Monate, wie das z. B. bei Natalie Kauther und Adrian Pollmann als deutsche Botschafter in Slowenien der Fall ist (Quelle: faz 20.05.21). 

Und dabei sind natürlich auch diverse Mischungen denkbar. Hierfür gibt es also viele kreative und individuelle Lösungen.

 

wie verteilte sich die Arbeitszeit in der 360° Studie? 

  • 60 % der Tandems arbeiten dieselbe Stundenzahl pro Woche,
  • 80 % an gleicher Anzahl an Wochenarbeitstagen
  • und 30 % arbeiten beide an fünf Tagen pro Woche (darunter auch Teilzeitler:innen!). 
Eín Tandem beschreibt ihr Arbeitszeitmodell so:

„Und dann haben wir uns mit den Stunden so geeinigt, mit dem ZIEL, dass jeden Tag einer von uns bis etwa um 16 Uhr da ist. Und ich habe freitags frei und meine Tandempartnerin hat montags frei, sodass das so einigermaßen balanciert ist.“

Joint Leadership und JobSharing FactSheets

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In unseren FactSheets für Tandem-Partner:innen und Unternehmen findest Du konkrete Beispiele aus der Praxis und viele Fakten auf den Punkt gebracht.

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nach welchen Kriterien lassen sich Tandem Modelle noch unterscheiden?

Mit oder ohne Personalverantwortung sowie
Mit oder ohne führungs-
Vor-Erfahrung

Zwei Drittel der von uns befragten Tandems führten neben ihren fachlichen Aufgaben vor allem auch Mitarbeitende. Ein Drittel hatte eine rein fachliche Führungsverantwortung.

 In unserer Studie sah die Verteilung so aus:

Bei 55 % der Tandems mit Personalverantwortung hatten zuvor entweder beide (20 %) oder eine:r (35 %) der beiden Partner: innen noch KEINE Führungsvorerfahrung.  

Das heißt: Joint Leadership bietet ein hohes Personalentwicklungspotenzial!

Komplett oder teilweise in der gemeinsamen Rolle

  • 70 % der Tandems haben EINE gemeinsame Rolle, in die komplett auch ihre volle Arbeitszeit hineinfließt. Das bedeutet auch, dass sie KEINE weiteren, von dem/der Partner:in unabhängigen Aufgaben haben.
  • 30 % der Tandems haben ein hybrides Modell. D. h. dabei verantwortet mindestens eine Person zusätzlich zu der gemeinsamen Rolle auch noch andere Themen (z. B. andere Projekte oder Teams), unabhängig von der/dem Partner:in. 

Unsere Insprirationen aus der Studie:

Modell-Vielfalt bietet für jede:N das passende

Haben wir zuviel versprochen?  Die Auswertung unserer Studiendaten zeigen:

Joint Leadership kann in unzähligen Modellen und Varianten auf die individuellen Bedürfnisse zugeschnitten werden.

Zusammengefasst:

In Bezug auf das Teilen der Aufgaben empfehlen wir eine sinnvolle Mischung aus Pairing und Splitting, abhängig von der Situation und den  Persönlichkeiten der Tandempartner:innen.

Auch eine regelmäßige Retrospektive hilft, in der die gewählte Aufteilung ausgewertet und bei Bedarf neu justiert werden kann.

Und nicht vergessen: Das gemeinsame co-kreative Arbeiten ist ein Herzstück von Joint Leadership!

Unterschiedliche Arbeitszeitmodelle im Joint Leadership berücksichtigen sowohl die persönlichen Zeitbedarfe der Partner: innen als auch die Anforderungen der jeweiligen Position. 

Überschneidungszeiten dienen sowohl zum gegenseitigen Updaten (ca. 1-2 h pro Woche) als auch insbesondere dazu, um Synergiepotenzial durch den so wichtigen Perspektivenwechsel zu heben.

Und genau darin liegt eine wichtige Chance dieses Modells. 

Damit dieses Potenzial erhalten bleibt und voll genutzt werden kann, sollten Organisationen ihren Tandems ausreichend offizielle Überschneidungszeiten zugestehen. Die Erfahrung zeigt, dass sich diese Zeiten für alle mehr als auszahlen.

Auch das Personalentwicklungspotenzial von Joint Leadership ist ein überzeugender Aspekt bei der Entscheidung für dieses Modell.

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Das war ein Einblick in die ergebnisse zur tandemperspektive der 360°-Joint Leadership Studie

Mehr wissenschaftliche Insights gibt es bald in unserem Buchbeitrag zur Studie:

Himmen, E., Weigel, C. & Wiench, K. (2022). Joint Leadership: Freiheitsgrade, Grenzen der Freiheit und vielfältige Topsharing Modelle. Einblick in eine Studie unter Teilzeit- und Vollzeit-Führungskräftetandems. In A. Karlshaus & B. Kaehler (Hrsg.), Teilzeitführung. Rahmen-bedingungen und Gestaltungsmöglichkeiten in Organisationen (2. Aufl.). Wiesbaden: Springer Gabler. (in Druck) 

 

Hast Du noch weitere Fragen? Dann schreib uns gerne an esther.himmen@joyntleading.com.

 

Mit den besten Grüßen,

Carolin & Esther vom JOYntLEADING Team

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