Wie interessiert sind Führungskräfte, Expertinnen & Experten an Jobsharing auf Führungsebene? Gibt es da Unterschiede zwischen Frauen und Männern? Und was sind die Gründe für das Interesse?

Darum geht's in diesem Blogartikel – und zwar unter anderem basierend auf den Erkenntnissen aus unserer Topsharing Interesse Studie (Himmen, 2019) und den Praxiserfahrungen von mehr als 150 Jobsharern aus unserem persönlichen Netzwerk!

Der Begriff Topsharing ist übrigens ein Synonym für Jobsharing auf Führungsebene; genauso wie Co-Leadership, Doppelspitze oder Joint Leadership.

Warum es neue modelle braucht ...

Viele Führungs- und Expertenrollen sind heutzutage extrem komplex (Stichwort: VUCA-Welt). Sie erfordern ein besonders breites, fachliches und persönliches Profil. So ist es manchmal praktisch unmöglich, alle benötigten Erfahrungen und Kompetenzen in einer einzigen Person zu finden.

Nicht ohne Grund denken viele Unternehmen deshalb die klassische Stellen- und Positionen-Logik neu. 

Weg von der unflexiblen „eine für alle“ 40 Stunden-Woche, weg von der „Headcount Logik“ (eine Stelle = ein Kopf). Und hin zu einer individueller zugeschnittenen Aufgaben- und Kompetenzen-Orientierung.

So können Unternehmen die benötigten Positionen und Rollen viel genauer als bisher nach ihrem tatsächlichen Bedarf definieren und dann auch besetzen. 

Die Folge? Eine vielfältigere Zeitmodelle.

Für Unternehmer:innen eigentlich ein „no-brainer“. So werden die Ressourcen dann tatsächlich eingesetzt, wie sie wirklich benötigt werden und das so ökonomisch effizient wie möglich.

Zudem sind neue Modelle nötig, um erfolgreich Recruiting zu betreiben!

Rund 62 % von 2.344 befragten Führungskräften im DACH-Raum geben an, dass ihnen Möglichkeiten zur flexiblen Arbeitszeitgestaltung (inkl. Teilzeit) bei einem potenziellen neuen Arbeitgeber wichtig wären (Odgers Berndtson, 2019).

Jobsharing ist ein Modell, mit dem dieser Wunsch erfüllt werden kann. Im Jobsharing arbeiten in der Regel zwei Personen gemeinsam auf einer Job-Position. Analog teilen sich beim Joint Leadership ZWEI Manager:innen oder Expertinnen/Experten EINE Führungs- oder Spezialistenrolle. Beides ist in Teilzeit oder Vollzeit möglich. Und zwar in den verschiedensten Zeitkombinationen. 

Für die Expert:innen, Experten und Führungskräfte, die im Tandem arbeiten, ergibt sich noch eine weitere interessante Option: es wird einfacher, mehrere komplexe Positionen, Themen und Projekte parallel zu verantworten.

Wir haben mit einigen Tandems gesprochen, die neben der gemeinsamen Tandem-Rolle die Verantwortung für weitere Projekte übernehmen. Ohne sich dabei zu „übernehmen“, weil das ganz offiziell und transparent in der Struktur und im Zeitmanagement vorgesehen ist. Und die es schätzen, dass sie so viel breitere Entwicklungs- und Karrierere-Möglichkeiten nutzen können.

Auch das beste Modell ist natürlich nur dann hilfreich, wenn es genutzt wird: Insofern ist die Frage nach dem Interesse der potenziellen Tandems essenziell.

... UND Warum die Frage nach dem Geschlecht ÜBERHAUPT aufkommt

Laut einer Umfrage des ifo Instituts (2021) möchten Männer noch häufiger als Frauen ihre Wochenarbeitszeit reduzieren. 50 % der Männer und 41 % der Frauen gaben das an!

Trotz diesem Wunsch Arbeiten in Deutschland nur ca. 20 % der weiblichen und 3 % der männlichen Führungskräfte in Teilzeitführung. Drei Prozent! (Europäische Kommission, 2021)

Da stellt sich natürlich die Frage: Woher kommt diese riesige Diskrepanz zwischen dem Wunsch nach weniger Stunden und der von Vollzeitstellen bedeckten Realität?

Fehlen die richtigen Modelle? Oder das Wissen um die Modelle?

Unsere Praxiserfahrung zeigt, dass alle Geschlechter sich wunderbar in Tandems schlagen. Nun haben wir mit unserer Studie uns die Situation nochmal in harten Zahlen angeguckt.

Gibt es in Sachen Jobsharing Interesse-Unterschiede zwischen den Geschlechtern?

Schließlich ist es kein Luxus mehr, sondern absolut notwendig, dass wir nach neuen attraktiven Arbeitsmodellen suchen und sie umsetzen.

Modelle, die Menschen aller Geschlechter ansprechen und eine echte Alternative für sie darstellen!

Denn das lohnt sich für alle Beteiligten!

Eine McKinsey Studie aus dem Jahr 2020 zeigt, dass Unternehmen mit einer hohen Gender-Diversität (v. a. auch in den Führungsetagen) eine um 25 % größere Wahrscheinlichkeit aufweisen, überdurchschnittlich profitabel zu sein.  

 

Wir dürfen vorstellen:
Die Tobsharing-Interesse-Studie

Im Mai 2017 befragte Esther in ihrer Interesse-Studie insgesamt 146 Führungskräfte, Expertinnen & Experten. 73 Frauen und 73 Männer.

Vom Projektmanager bis zur Geschäftsführerin, Menschen mit und ohne Verantwortung für Mitarbeitende. 21 bis 63 Jahre alt. Circa die Hälfte der Befragten lebte zu dem Zeitpunkt mit Kindern im Haushalt, die andere Hälfte nicht. 85 % arbeiteten in Vollzeit, 15 % in Teilzeit.

Eine wirklich bunte Mischung also!

Die Teilnehmenden gaben uns zu insgesamt 13 Interesse-Fragen ihren Zustimmungsgrad an.

Wer übrigens unsere Studie in kompletter Länge lesen will, findet sie HIER. Wir freuen uns sehr darüber, dass sie vom Springer Gabler Verlag ausgezeichnet und sowohl als Buch als auch als E-Book veröffentlicht wurde.

Ein paar spannende Ergebnisse haben wir Dir aber schon direkt für diesen Blogartikel rausgesucht:

Wie hoch ist das Interesse an Jobsharing auf Führungsebene?

Fakt ist: Das Interesse an JOINT LEADERSHIP ist vorhanden!

Dabei hatten wir in dieser Studie Joint Leadership (wir sprachen damals von „Topsharing“) noch als ein reines Teilzeit-Modell verstanden. Also dass die Tandempartner:innen bis zu 32 Stunden pro Woche arbeiten würden. Das heißt, dass sich die Interesse-Daten auch auf Jobsharing im Teilzeit-Modell beziehen. 

Mehr als zwei Drittel (67,4 %) der befragten Führungskräfte gaben an, dieses Arbeitsmodell persönlich nutzen zu wollen!

Am stärksten interessierten sich dabei die 31 – 40 jährigen Führungskräfte, Expertinnen & Experten für Topsharing. In dieser Altersgruppe waren 83 % „sehr interessiert“ oder „eher interessiert“ an Topsharing.

Die hierfür entwickelte Topsharing-Interesse-Skala basiert auf wissenschaftlichen Erkenntnissen der Interesse-Forschung (z. B. Grotlüschen, 2010; Schiefele et al., 1993). Die statistische Zuverlässigkeit (Reliabilität) der Skala hat sich mit einem sehr hohen Wert bestätigt (Cronbachs Alpha = .91).

 

 

Wenn mir mein Arbeitgeber Topsharing anbieten würde …

… wäre das für mich (persönlich) vorstellbar! Sagen 80 % unserer Studienteilnehmer:innen.

87 % der Frauen stimmten dieser Aussage zu, 71 % der Männer ebenfalls. In beiden Fällen sind über zwei Drittel der Teilnehmenden interessiert!

Circa 60 % sagten, dass das Modell Topsharing für sie schon in den nächsten 1-5 Jahren interessant werden würde. 47 % bei den Männern, 73 % bei den Frauen. 

38 Prozent hätten es sogar am liebsten, sie würden bereits zum Zeitpunkt der Umfrage im Joint Leadership arbeiten. 34 % der Männer, 42 % der Frauen.

viele Gründe für das hohe Interesse an Joint Leadership

Warum das Modell für so viele Expertinnen & Experten sowie Führungskräfte interessant ist, hat ganz unterschiedliche Gründe. 

In unserer Befragung wurden vor allem folgende Punkte bestätigt:

Die Möglichkeit, sich gegenseitig zu ergänzen ...

 …, weil ein doppelter Erfahrungshintergrund zusammenkommt.

 

Sich gegenseitig entlasten, ...

 … weil Verantwortung und Aufgabenfülle auf vier Schultern getragen werden.

 

Die Aufgaben individuell verteilt werden können ...

 …, was im Tandem nach Interessen, Kompetenzen und gewünschten Lernfeldern möglich ist. 

 

Zu zweit fundierter und damit besser entscheiden ...

…, weil die Tandempartner:innen ganz natürlich verschiedene Perspektiven besprechen und einbeziehen können.

 

Ein höheres Aufgabenpensum besser bewältigen ...

…, das zeitweise oder dauerhaft besteht, so dass der etwas höhere zusätzliche Abstimmungsaufwand im Tandem mehr als aufgewogen wird.

 

Teilzeit-Topsharing als Karrierechance

 …, die für Teilzeitler:innen sonst in vielen Fällen verschlossen bleibt.

 

Du bist Coach oder Berater:in von Führungskräften?

Dann sei bei unserer Live Zoom Session dabei:

individuelle Lebens- und Arbeitsbedingungen beeinflussen das Interesse

Ergibt ja auch total Sinn! Betrachten wir einmal den Zeitaspekt:

Etwa 65 % der von uns befragten Vollzeitkräfte gaben an, dass Joint Leadership in Teilzeit (bis maximal 32 Stunden pro Woche) für sie besonders interessant wäre, um mehr Zeit außerhalb der Arbeit zur Verfügung zu haben.

Das hohe Interesse unserer Studienteilnehmer:innen an diesem Modell ist, wenn man sich Ergebnisse anderer Untersuchungen zum Interesse an Teilzeit ansieht, mit den oben genannten 80 % vergleichsweise hoch.

Unsere Ergebnisse heben sich damit deutlich ab von der aktuellen Quote der Teilzeitführung von 8 % im Jahr 2021 (Europäische Kommission, 2021).

Sprich: Das Interesse in Teilzeit in Joint Leadership zu arbeiten scheint höher zu sein, als alleine in einer Teilzeit-Führungsposition.

Ebenfalls auf den ersten Blick verwunderlich: Der 65 % Zustimmung zum Zeitaspekt des Interesses bei Vollzeitkräften stehen 90 % Zustimmung der Teilzeitkräfte gegenüber!

Warum aber wünschen sich gerade die Teilzeitkräfte mehr Zeit außerhalb der Arbeit?

Und warum scheinen mehr Menschen interessiert an Joint Leadership in Teilzeit zu sein als an Teilzeitführung allgemein?

Da, wo „TEILzeit“ drauf steht, ist nicht immer „TEILzeit“ drin

Insbesondere mit Führungs- oder Projekt-Verantwortung kommen bei einer Einzel-Teilzeit-Besetzung dann doch noch so einige Überstunden dazu!

Und vielen geht es dann so, wie es uns mal eine Abteilungsleiterin eines großen Konzerns erzählte:

„Durch mein reduziertes Gehalt erkaufe ich mir mit meiner Teilzeitführungsstelle das Recht, mein Kind nachmittags um 15 Uhr von der Kita abzuholen. Doch am Abend sitze ich regelmäßig noch einmal mehrere Stunden am Rechner. Insgesamt komme ich damit locker auf ein Stundenmaß einer Vollzeitstelle. Unbezahlt.“

Auch im Joint Leading ist das Thema Überstunden kein Selbstläufer. Doch durch das gegenseitige Vertreten beinhaltet es eine echte Chance für Deine Work-Life-Balance. Wenn Du Dich dahingehend noch weiter inspirieren lassen möchtest, schau einmal in unserem Artikel über Burnoutprävention vorbei.

Da Du Dir Verantwortungen und Aufgabenbereiche mit Deiner:m Tandempartner:in teilst, bieten sich Dir ganz neue Möglichkeiten – auch bei Jobs, die Führungsverantwortung beinhalten und bei denen bisher Teilzeit vielleicht undenkbar war!

Mit zwei Menschen können Abendtermine beispielsweise aufgeteilt werden. Dadurch, dass Ihr Euch auf dem Laufenden haltet, könnt ihr auch Erreichbarkeitszeiten aufteilen und im Urlaub kann problemlos jemand anderes ein Auge auf Deine Mails haben …

Jobsharing zeigt Dir eine ganz neue Dimension auf, was möglich ist!

Was hält uns denn dann noch auf?

Die meisten (ca. 64 %) der von uns befragten Führungskräfte kannten Joint Leadership vor unserer Studie noch gar nicht. Am stärksten sehen wir das bei den befragten Männern.

Über die Hälfte der Frauen (55 Prozent) und fast drei Viertel der Männer (73 Prozent) kannten niemanden, der in Joint Leadership arbeitet und hatten auch noch nicht von Topsharing-Beispielen gehört!

Wenn Dir dies genauso geht und Du hier zum ersten mal von diesem Modell liest, bist Du also in bester Gesellschaft.

Die Umfrage war somit für viele ein erster inhaltlicher Einstieg in dieses Führungs- und Arbeitsmodell.

Kein Wunder: Denn noch fehlen leider in vielen Organisationen die Rolemodels. Insbesondere für Männer!

Du möchtest mehr über Jobsharing & Joint Leadership erfahren?

Willst Du Dir eine Führungs- oder Expert:innen-Rolle teilen, weißt aber nicht, wie Du das Thema angehen kannst?

Unsere kostenlose 7 Tage, 10 Schritte-Anleitung inkl. pdf-Workbook liefert Dir erste Antworten auf Deine Fragen.

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Jobsharing Joint Leadership 10 Schritte Anleitung

Rolemodels für Jobsharing auf Führungs- & Experten-Ebene

Dabei gibt es schon so viele Beispiele, die zeigen, dass es geht. In 2020 hatten wir zum Beispiel eine Social Media Kampagne durchgeführt, in der wir jede Woche ein neues Führungs- oder Experten-Tandem vorgestellt haben.

Dazu gehörten unter anderem diese Tandems: 

 

Jobsharing Tandems, die wir auf LinkedIn vorgestellt haben

Hier ein paar Beispiele von Tandem, die wir vorgestellt hatten (Reihe für Reihe: von oben links nach unten rechts im Bild):

 

 

Wie Du siehst: Es gibt viele unterschiedliche Varianten an Tandems!

Und zwar auf allen Hierarchie- und Experten-Ebenen, sowie

 

  • Reine Frauen Tandems
  • Reine Männer Tandems
  • Geschlechtsgemischte Tandems
  • Altersgemischte Tandems
  • Und noch so vieles mehr … 

Da ist noch so viel Potenzial!

Deshalb wollen wir eine neue Blogreihe mit Tandems starten!

Arbeitest Du selbst im Jobsharing oder kennst andere persönlich, die in einem Joint Leadership arbeiten? Dann laden wir Dich & Euch dazu ein, dazu beizutragen, dass dieses Win-Win-Modell immer bekannter wird?

Schreib uns dazu eine Nachricht (genauer an Milena: team@joyntleading.com)  oder vernetze uns mit anderen Tandems. Dann wird Milena ein Interview mit Euch als Tandem führen und anschließend einen Blogartikel-Entwurf mit Euch (und wenn gewünscht mit Eurer Kommunikationsabteilung) abstimmen. Sobald der Blogartikel veröffentlicht ist, werden wir das über unseren Newsletter und unsere LinkedIn Seite bekannt machen.

Seid Ihr dabei?

Wir würden uns sehr freuen – und andere könnten durch Eure Geschichte ermutigt werden, selbst neue Wege zu wagen.

 Herzliche Grüße,

Milena von Tottleben & Esther Himmen