Franziska Schumann und Dr. Karsten Linné haben 1,5 Jahre im Tandem in der Landeshauptstadt Potsdam gearbeitet und sich in einen betriebsinternen Pandemieplan investiert.

Wir haben mit ihnen über Jobsharing im Behörden-Kontext, gemeinsames Auftreten in Gremien und das Lernen von- und miteinander gesprochen.

Besonders auffällig bei den Beiden: Wie sie sich die Bälle zuspielen.

Man merkt sofort, dass ein eingespieltes Spitzenteam vor einem sitzt.

Wie haben Sie sich kennengelernt, wie ist dieses Tandem entstanden?

F. Schumann: Da würde ich direkt mal anfangen, denn ich war „zuerst da“. Und zwar wurde in der Stadtverwaltung der Landeshauptstadt Potsdam im Jahr 2019 der Bereich ‚Gesunde Verwaltung‘ neu gegründet. Darin stand und steckte die Idee, ein betriebliches Gesundheitsmanagement aufzubauen. Dieser Bereich wurde im Fachbereich Personal und Organisation angesiedelt und mit mir als Führungsperson besetzt.

Die Idee dahinter war, die Prozesse und Strukturen, die im BGM oder in der betrieblichen Gesundheitsförderung schon liefen, als Einzelprojekte zu überprüfen, anzuschauen und auf strategisch bessere Füße zu stellen.

In diesem Zusammenhang wurde mir eine E-Mail weitergeleitet von einem Herrn Doktor Karsten Linné, der interessiert daran war, ein betriebliches Gesundheitsmanagement für die Verwaltung mitzuentwickeln und aufzubauen. Das hat er an den Oberbürgermeister gerichtet, und dieser wiederum hat das an mich weitergegeben.

Da dachte ich: „Das ist ja verrückt!“ und habe ihn zu mir ins Büro eingeladen und ein tolles Gespräch mit ihm geführt. Und vielleicht können Sie jetzt Ihren Eindruck weitergeben, Herr Doktor Linné?

Dr. K. Linné: Ja, ich schließe einfach an. Ich hatte Verwaltungserfahrung in universitären Bereichen und kommunalen Verwaltungen. Zu dem Zeitpunkt wollte ich mein Handlungsfeld gerne verändern, sodass ich den guten Rat einer sehr eloquenten Politikerin genutzt habe und mich beim Oberbürgermeister initiativ beworben habe.

Dann war ich positiv überrascht, dass es eine relativ schnelle Rückmeldung gab. Und dass sich jemand, der in dem Handlungsfeld zu Hause ist und eine Führungsposition einnimmt, sofort mit mir getroffen hat. Wir zwei haben den Gedankenaustausch gepflegt und gemeinsame Möglichkeiten einer zukünftigen Arbeit ausgelotet.

Kaffe und Kuchen - Symbolbild

Wie hat das dann geklappt, die Stelle einzurichten?

Dr. K. Linné: Die Sache ist natürlich nicht so einfach, wenn man sich irgendwo initiativ bewirbt. Frau Schumann hat eine Reihe von Dingen in die Wege geleitet und ich habe zugestimmt, für ein halbes Jahr für das Gesundheitsamt zu arbeiten, um dann letztendlich über diesen Umweg in dem angestrebten Handlungsfeld wirksam werden zu können

F. Schumann: Das ist leider ein bekanntes Problem in der Verwaltung. Man hat einen Menschen, der super qualifiziert, top ausgebildet und motiviert ist. Und manchmal fehlen einem die Möglichkeiten, nur weil man, ich sage mal im „Verwaltungs-Sprech“: keine Stelle hat. Wenn man in der Haushaltsplanung woanders steht, ist es sehr kompliziert, nachträglich eine Stelle einzurichten; man muss die ganzen Verwaltungsprozesse einhalten.

Da im Gesundheitsamt tatsächlich eine halbe Stelle frei war, haben wir den Umweg dann so lanciert. Ich habe mir dann rausverhandelt und gesagt: „Wenn ich Herrn Doktor Linné ausleihe, dann möchte ich, dass er wenigstens einen Tag in der Woche fürs Gesundheitsmanagement tätig wird.“

Dr. K. Linné: Ich habe dann drei Tage die Woche im Amt gearbeitet. Montags für Frau Schumann, dienstags und mittwochs fürs Gesundheitsamt. Und dieser Einstieg hat, aus meiner Sicht, hervorragend funktioniert.

Ein Vorteil war, dass ich aus einem anderen Blickwinkel auch Teile der Stadtverwaltung kennenlernte. So konnte ich vergleichen: „Wie läuft es hier? Wie läuft es woanders?“

 

Anfang 2020 hat die Corona-Pandemie alle Beteiligten eingeholt. Ich habe dann in der frühen Phase die Umsetzung des Übergangs in den Corona-Modus mit initiiert. Das heißt, die persönlichen Kontakte einschränken, Hygienemaßnahmen usw., zumindest vorerst für mein Handlungsfeld. Und ich habe dann „Handlungsfelder“ zusätzlich dort generiert, die mit der Corona-Bewältigung zu tun haben.

 

Frau Schumann hat dabei eine sehr entscheidende Rolle gespielt. Sie legte in den Gremien „die Finger in die Wunde“. Also, so was wie, wer kümmert sich um die Mitarbeitenden usw.

Und daraus konnte sich dann eine intensive Zusammenarbeit auf praktischer, inhaltlicher und auch verwaltungstechnischer Ebene ergeben.

 

Bis zu diesem Punkt waren Sie aber noch kein offizielles Tandem. Also, sie hatten 2 unterschiedliche Positionen, aber haben eng zusammengearbeitet?

Dr. K. Linné: Ja, Frau Schumann hatte die Bereichsleitung inne und ich war als ärztlicher Berater verortet. Also ein relativ hoher Name, aber keine Prokura, keine Leitungsfunktion.

F. Schumann: Damit haben wir angefangen, wir hatten also eine Art Konvergenzphase, in der wir schon Zusammenarbeit geübt oder geprobt haben.

Ich habe beispielsweise meine ganzen Prozesse oder Ideen einfach an Herrn Doktor Linné ungefiltert weitergegeben. Immer wie ein Testballon rübergeschickt und dann kam es zum Austausch. So haben wir eine Art Kommunikationsnetz gestrickt, um zu verstehen, „wie tickt der andere? Warum kommen wir hier zusammen, warum kommen wir nicht zusammen?“ Wir haben das sozusagen sukzessive geprobt.

Und dadurch haben wir festgestellt, dass wir wirklich gut miteinander harmonisieren und dass wir uns gegenseitig ertragen können, auch in Druck-Situationen. Das ist ja gar nicht so einfach. Man denkt sich das immer: das ist banal, man versteht sich mit jemandem gut. Aber wenn ein bisschen Druck im Kessel ist, muss das genauso gut weiter funktionieren.

Ich hatte zu der Zeit auch schon die erste Führungserfahrung in meinem eigenen Team machen dürfen. Daher wusste ich: Verwaltung bedeutet ja nicht nur irgendwo sitzen und arbeiten, sondern auch politische Entscheidungsträger mitnehmen, einbinden, überzeugen und in Drucksituationen „Bella Figura“ machen zu können. Und dann hab ich mir gedacht: „Also Herr Doktor Linné ist mit allen Wassern gewaschen, der kann das.“

Ich war im Rahmen eines BGM-Netzwerktreffens bei einem Wirtschaftsempfang, wo eine Art Alters-Tandem bei einer Krankenkasse vorgestellt wurde. Es ging dabei um den klassischen Wissenstransfer: eine ältere Führungskraft scheidet aus und holt jemanden Jüngeres schon einige Jahre vorher mit an Bord.

Und ich habe mir gedacht: „Wenn das schon eine Krankenkasse kann, die quasi auch Verwaltungsstrukturen hat, dann muss das in der Verwaltung auch möglich sein. Dann müssen wir es einfach mal probieren.“ Unser Fokus war: „Gesunde Führung etablieren.“ Also, wir wollten gemeinsam als Tandem führen, weil es gesünder für uns beide sein kann. Damit haben wir dann eine Art Mini-Konzept geschrieben.

 

Wie konnten Sie denn dann als Tandem starten?

F. Schumann: Wir haben damals in der Krisensituation gesagt: nach draußen wird viel geregelt, aber nach drinnen in das Haus für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, eben die Belegschaft müsste es auch einen Pandemieplan geben.

Das war unser erstes Projekt, das wir inhaltlich intensiv zusammen gemacht haben. Ich habe es genutzt, um in einer Krisensituation, die die Verwaltung auf den Prüfstand gestellt hat, mit unserem Pilotprojekt der Doppelspitze unter dem Radar ins System reinzukommen. Letztlich hätten mehr Leute darauf achten können, aber in dem Moment haben alle gedacht: „Lass die machen, Hauptsache sie machen“. Und so kamen wir mit unserem Pilotprojekt ins System rein.

Ich habe zu unserem Projekt einen Vermerk geschrieben und dann beim Fachbereichsleiter nochmal die Prokura eingeholt, dass auch Herr Doktor Linné mit sämtlichen Rechten ausgestattet wird, mit denen ich auch ausgestattet bin. Das heißt: Personalverantwortung, Haushaltsverantwortung und einfach der Zugang zu gewissen Leitungsgremien, die wir hatten. Und das haben wir auch schriftlich eingestellt.

Das hat sich dahingehend qualifiziert, dass wir in Vertretungssituationen natürlich auch geteilt führen konnten. Und dass wir bei den Personalentscheidungen auch beide den Zugang zu den Informationen hatten.

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Wie haben Sie das Tandem dann von den Zeiten her organisiert?

F. Schumann: Herr Doktor Linné war in Teilzeit und ich war in Vollzeit. Aber er arbeitet ohnehin 24/7, insofern spielte das keine Rolle. Es war in der Pandemie sowieso alles ein bisschen anders aufgeteilt. Vielleicht wollen Sie kurz ausführen, Herr Doktor Linné?

Dr. K. Linné: Ja, also, das ist nicht das typische Modell. Normalerweise erwartet man den erfahrenen Alten in Vollzeit, der einer der jungen Mütter irgendwie den Einstieg leichter macht. Das ist hier nicht der Fall.

Sondern es haben sich Kompetenzen vereint. Sicherlich zu einem gewissen Anlass, der das passend macht, aber vor allen Dingen, weil es inhaltlich, methodisch und, was ich sehr wichtig finde, prozessual und charakterlich gepasst hat.

Frau Schumann hatte mich dann gebeten, mit ihr gemeinsam die Bereichsleitung zu übernehmen. Ich war relativ überrascht und erfreut und musste da nicht lange überlegen. Es blieb bei der zeitlichen Aufteilung; pandemiebedingt war es möglich, sehr mobil mit seiner Arbeitszeit umzugehen.

Und so war ich froh, einerseits meine Dinge zeitlich unter einen Hut zu bekommen, und andererseits wirklich einen vernünftigen Beitrag zur ganzen Sache leisten zu können. Ja, und was für mich sehr wichtig ist, dann zu arbeiten, wenn ich auch entsprechend

a) Lust habe und

b) kreativ sein kann.

Das kann mal vormittags sein, das kann auch mal nachts sein.

Ich glaube, einer der springenden Punkte ist, dass es in dem Tandem, was wir bilden durften, nicht darum ging, Arbeitszeit auszufüllen, sondern dass inhaltliche, charakterliche und Sozialkompetenz im positiven Sinne wirken sollten.

War das dann am Ende das, was Sie sich vorgestellt haben, als Sie den Oberbürgermeister angeschrieben haben?

Dr. K. Linné: Das war besser. Ich muss das ganz deutlich sagen:

Diese Zeit, in der wir gemeinsam für ein Team Verantwortung hatten, waren die Beste, die ich jemals in abhängiger Stellung absolviert habe.

Ich habe in einer Universität gearbeitet. Ich habe in vielen anderen Bereichen gearbeitet. Das ist nicht durch irgendwas zu ersetzen oder zu toppen.

 F. Schumann: Das würde ich unterschreiben. Das ging mir ganz genauso.

 

Was sind denn die konkreten Vorteile, die sie aus der gemeinsamen Arbeit gezogen haben?

Dr. K. Linné: Der Vorteil für mich bestand darin, dass ich zum einen sämtliche Sachen, die mir nicht so liegen, immer im 4-Augen-Prinzip abstimmen konnte. Und zum anderen natürlich, dass ich von den Erfahrungen und Kompetenzen von Frau Schumann profitieren konnte.

Das heißt, Sachen, die ich zu managen hatte oder wo es um gemeinsames Auftreten ging, wurden permanent abgesprochen. Wenn wir beide im Spiel waren und der eine ohne Erörterung mit dem anderen agierte, dann konnte man keinen inhaltlichen oder formalen Keil zwischen uns beide treiben. Und für mich, obwohl ich fast 60 werde, ist es immer interessant, irgendwas zu lernen. Ja, gerade Sachen, die ich nicht kann. Und von Frau Schumann weiß ich, dass es ihr genauso geht, obwohl sie noch lange nicht 60 wird.

F. Schumann: Ich dachte mir, das ist der Wahnsinn, dass man sich eine ärztliche fachliche Expertise direkt aus erster Hand mit Dr. Linné holen kann, und etwas wirklich wissenschaftlich fundiert ist. Sie müssen sich vorstellen, ich habe die Zertifizierung gemacht zur Gesundheitsmanagerin und dachte mir: „Also, mit einem Facharzt an meiner Seite, kann das ja nur super werden!“

Und ich hatte jemanden, dem ich unvoreingenommen sagen konnte, was ich vorhatte. Bei dem ich eine direkte und unverstellte Sicht auf die Dinge bekommen habe, sodass ich immer etwas gestärkter als vorher in Präsentationsrunden und Gremien gehen konnte. Das hat mir sehr gutgetan.

Genau und dazu gab es dieses große Verständnis auch für die Situation, die uns alle umgeben hat. Die Pandemie hat uns wirklich vom Fuß auf den Kopf gestellt. Hat uns nicht nur als Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, sondern auch als Mutter, Vater, als Familie, als normale Menschen komplett durcheinandergewirbelt.

Und da war es fantastisch, jemanden an der Seite zu haben, der in einer ähnlichen Situation ist, wo von heute auf Morgen die Kitas zu gemacht haben. Wo wir lange Gespräche und Austausch hatten, während im Hintergrund die Kinder krähten, auf der Toilette saßen, irgendwo „runterstürzten“. Also ich meine, das hatte schon manchmal amüsante Züge, sich auch auf dieser Ebene auf Augenhöhe zu treffen.

Und sich da austauschen zu können und auch mal zu sagen: „Also, ich kann nicht mehr. Das ist mir jetzt zu viel.“ Und der andere holt einen ab und sagt: „Kann ich verstehen, aber da haben wir einen guten Ansatz und das ziehen wir jetzt zusammen durch.“

 

Zwei Männer helfen sich eine Treppe hochzusteigen

Wie haben Sie sich die Arbeit denn inhaltlich aufgeteilt?

F. Schumann: Als wir das Pilotprojekt aufgebaut haben, wollten wir eine Art Aufteilung machen und ich wollte das schön in einer Matrix vorstellen. Als wir aber in diese Zusammenarbeit gesprungen sind, habe ich festgestellt, dass das so klassisch auf dem Papier, „Herr Doktor Linné macht ABC, Frau Schumann macht DEF“ für uns überhaupt keinen Sinn ergibt und dass wir eigentlich intuitiv geführt haben.

Ich habe natürlich mehr Verwaltungserfahrung als er, deswegen habe ich mich oft mit diesen Strukturproblemen auseinandergesetzt. Dafür hat er für mich die Vermerke geschrieben, und ich habe sie dann ins Verwaltungsdeutsch übersetzt. Er hat die Leute angerufen, ich habe daraus dann die Projektgruppensitzungen gemacht. Er hatte eine Idee. Ich habe geguckt, wo wir das Geld in den Haushalt einstellen können und habe sozusagen immer meine vertikale Sicht auf die Dinge ausgenutzt.

Am Ende hat sich bei uns in diesem Tandem-Projekt herausgestellt, dass wir so eine Art Fach- und Führungskarriere ausgebildet haben. Also, er hat tatsächlich die fachliche Expertise als ärztlicher Berater eingebracht, und ich habe das Team mit ihm gemeinsam geführt. Letztlich hatten wir nicht so eine klassische Aufgabenteilung, wie man das vielleicht bei anderen Tandems so kennt.

Dr. K. Linné: Was Sie vielleicht wissen müssen: Die Expertise und die Kompetenzen, die Frau Schumann hat, sind sehr, sehr breit. Und beziehen sich auf Verwaltungshandeln, Verwaltungsprozesse, Führungskompetenz sowohl qualitativ als auch quantitativ. Zum Beispiel soziale Kompetenzen, also wie gehe ich mit einem Gremium um? Das ist schon eine Nummer, wo ich nicht drankomme. Und das sind auch ehrlich gesagt Themenfelder, nach denen ich mich nicht unbedingt reiße.

So bestand der überwiegende Teil unserer gemeinsamen Arbeit darin, dass jeder seine Kompetenzen, insbesondere dort, wo er sie erworben hat und wo er sie einbringen kann, eingebracht hat.

Wie sah das in den Gremien aus, die Sie erwähnt haben?

Dr. K. Linné: Also es gab Gespräche, die wir Sonntag geführt haben, weil am Montag ein Gremium war, wo Sachen ventiliert wurden, die für uns inhaltlich oder methodisch hoch relevant waren. Da sind die Bedingungen durchgegangen worden, da sind die Möglichkeiten der Argumentation der anderen Seite oder der Partner besprochen worden.

Wir haben gemeinsam überlegt, wie können wir vernünftig argumentieren? Wer argumentiert wie? Wir haben Schlachtpläne gehabt, wer welchen Satz sagt, und haben uns dran gehalten. Wer verhält sich wie? Wer redet zuerst? Sogar, wer welches Outfit anhat.

Leider ist das bei unseren Gegenübern nicht ins Bewusstsein gedrungen. Unbewusst wurde das wahrgenommen, da bin ich mir sicher. Aber bewusst hat das niemand reflektiert oder kommentiert. Das macht mich einerseits froh, andererseits ein bisschen traurig.

F. Schumann: Was man nicht unterschätzen sollte: Wir stehen nicht in Konkurrenz zueinander.

Wir konnten gemeinsam etwas entwickeln und keiner wollte den anderen überholen oder übertrumpfen. Wenn Herr Doktor Linné eine super Performance in der Beigeordnetenkonferenz gemacht und den betrieblichen Pandemieplan vorgestellt hat, habe ich mich darüber gefreut. Ich dachte mir dann: „Genau so muss das sein!“

Und ich habe das auch ganz bewusst eingesetzt. Zum Beispiel habe ich manchmal gesagt: „Hier muss die Aura des Arztes jetzt mal wirken.“

Deswegen haben wir bei einigen fachlichen Themen immer den Doktor in die Bütt geschickt.

Das hat sehr gut funktioniert, denn mich hätten sie vielleicht in Grund und Boden geredet. Und deswegen haben wir das manchmal auch spielerisch für uns genutzt und unsere Rollen da auch so „performt“, kann man sagen.

 

 

Und was für Schwierigkeiten sind aufgetreten?

F. Schumann: Ich habe tatsächlich die Wirkung dieses Tandems unterschätzt. Ich bin da recht naiv reingegangen und dachte: „Das kann ja nur toll sein!“ 

Geteilte Führung, gesunde Führung: So heißt das Pilotprojekt, das kommt aus dem BGM. Ich dachte, danach würden alle Führungspositionen in arbeitsintensiven Fachbereichen – z. B. Gesundheitsamt, Feuerwehr, Jugend- oder Ordnungsamt – nur noch geteilt in Tandems besetzt werden. Ich hatte dabei unterschätzt, dass die Verwaltungskultur eine Eigendynamik hat.

Also, was Sie mitnehmen können, ist, dass man ein Tandem oder agile Führung, wie wir es ja genannt haben, vorher gut kommunizieren und „verkaufen“ muss.

Ich habe mich immer gewundert, wenn die Beschäftigten von anderen Arbeitsgruppen gefragt haben, ob ich jetzt die Vertretung von Herrn Doktor Linné oder ob Herr Doktor Linné jetzt meine Vertretung sei. Da dachte ich mir: „Ich kann keinen Facharzt vertreten. Das ist völlig ausgeschlossen.“ Aber das war die Sicht aus meinem Mikrokosmos heraus. Ich habe dieses Tandem verstanden und gelebt, manche andere haben überhaupt nicht verstanden, was wir beide eigentlich hier wollen.

Das sind Dinge, die hängen geblieben sind, und ich denke mir, dass das für das nächste Verwaltungsprojekt auf jeden Fall besser kommuniziert werden muss. In einfacher Sprache, wenn es geht, damit es am Ende alle verstehen. Es muss gut verpackt werden.

Und am Ende: Wir waren als Tandem ganz innovativ. Wir hatten da viel Beinfreiheit, weil die Führungskräfte einfach abgelenkt waren durch die Pandemie, durch die Krise, durch dieses völlig neu sortieren müssen.

Wir wurden dabei nach Ergebnissen beurteilt. Man hat festgestellt: „Die beiden sind verlässlich, die sind immer da“. Wenn Herr Doktor Linné Freitagabend einen Auftrag kriegt, fragt er: „Bis 24:00 Uhr oder reicht es morgen früh?“ Dann haben sie da was qualitativ Hochwertiges, sofort immer, egal, was passiert.

Und ich glaube, dass diese Rückkehr in eine gewisse Normalität und „jetzt gucken wir mal wieder alles genau an und jetzt gucken wir den beiden mal genau auf die Finger“, das muss ich sagen, das haben wir beide nicht sehr gut verkraftet.

Wir haben extrem gute Leistungen gebracht. Also, ich kann mir nicht vorstellen, dass es viele Kommunen gibt, deren Verwaltung einen ausgeklügelten, von einem Facharzt begleiteten, Pandemieplan hatten wie unsere Kommune. Mit kurzfristigem Monitoring aller Zahlen zum Beispiel.

Wir wollten agiler sein, wir wollten durchlässiger werden und ich denke, dass Verwaltung Krise kann. Das wollten wir zeigen.

Ich glaube, dass wir da richtig gut aufgestellt waren, aber das mündete dann eben nicht in weiterer Beinfreiheit und Wertschätzung, sondern hörte dann einfach auf.

Die Krise wurde für beendet erklärt und wir wollten so innovativ weitermachen und diesen Rahmen gab es dafür dann nicht mehr.

Sie sind ja jetzt kein Tandem mehr. Was haben Sie noch mitgenommen in Ihre Zeit auf Einzelpositionen? / Wie blicken Sie jetzt auf Ihre Zeit als Tandem?

F. Schumann: Also, man muss dazu sagen: Ich habe die Stellung in der Landeshauptstadt aufgegeben, weil es da einfach für die Prozesse, die wir angestoßen hatten, keine Zukunft gab. Ich habe das aber sehr schweren Herzens aufgegeben, weil ich ja wusste, dass ich dann auch aus dem Tandem rausgehen werde.

Und ich muss ganz ehrlich sagen, dass ich in der ersten Zeit in meiner neuen Stelle eine Art Phantomschmerz hatte. Ich musste auf einmal meine gesamten Inhalte allein verteilen. Ich hatte keinen Partner mehr, dem ich das als Testballon geben konnte und dachte nur: „Ja, das fehlt mir tatsächlich.“

Für andere mag das abschreckend wirken, sich so viel abstimmen zu müssen. Bei mir war es aber eine Bereicherung, da ich auch gerne diskutiere und mir die Dinge gerne kommunikativ erarbeite.

Dr. K. Linné: Frau Schumanns Entscheidung zum Wechsel ihres Arbeitsplatzes habe ich sofort verstanden und akzeptiert, zumal sie mich immer über die Gründe und wesentliche Abläufe informiert hatte. So hatte ich ausreichende Möglichkeiten, meinen Unmut ursächlich zu adressieren und aufgekommene Wehmut in Kreativität zu verwandeln. Ich habe die Angebote zur formalen Übernahme einer „Solo“-Führungsposition ausgeschlagen. Ich warte ab, ob und mit wem sich neue Möglichkeiten einer agilen Führung ergeben. Aktuell fühle ich mich in einem kleinen Team mit gut definierten Handlungsfeldern sehr wohl, da die dortigen Mitarbeitenden die Prinzipien des agilen Miteinanders verstanden haben und pflegen …

Wir danken Ihnen ganz herzlich für das spannende Gespräch und die vielen Eindrücke aus dem Arbeitsalltag ihrer ungewöhnlichen Tandemkonstellation.

Und wir wünschen Ihnen von Herzen viel Erfolg in ihren neuen Positionen sowie in allem, was Sie gegebenenfalls noch im Tandem starten werden!

Willst auch du zusammen mit deiner Tandempartnerin oder deinem Tandempartner von eurem Jobsharing erzählen?

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Wir freuen uns darauf, Euch kennenzulernen!  

 

 

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